Im Rahmen der Bauüberwachung eines Großprojektes war folgender Fall zu bewerten:
1. Sachverhalt
Der GU schuldet auf dem Flachdach einen Aufbau als Warmdach mit folgendem Schichtenaufbau: Tragschale aus Beton, Dampfsperre, Wärmedämmung, Dachabdichtung. Zur Abführung des Niederschlagswassers sind innenliegende Entwässerungseinläufe angeordnet. Die Einläufe werden als zweiteilige (doppelstöckige) Einläufe hergestellt, welche über Dichtflansche an die Dampfsperre und an die Dachabdichtung angeschlossen werden.
Durch die bauherrenseitige Bauüberwachung wird die höhenmäßige Anordnung der Dichtflansche im Anschluss an die Dampfsperre und die Bildung von Pfützen im Umfeld der Einläufe bemängelt. Die Dichtflansche seien nicht ausreichend in den Beton eingelassen, sodass die, auf die Flansche aufgeklebte, Dampfsperre etwas höher steht als in der jeweils unmittelbar angrenzenden Dachfläche. In der Folge ergäbe sich kein „stauwasserfreier“ Anschluss, wodurch in der Umgebung der Einläufe Pfützen entstünden.
Der SV soll bewerten, ob dieser Sachverhalt einen Mangel darstellt.
Rohdecke eines Flachdaches mit Dampfsperre PYE G200 S4 und innenliegendem Einlauf.
Eine stauwasserfreie Entwässerung ohne Pfützenbildung ist in der Fläche nicht gegeben.
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2. Bewertungsgrundlagen
2.1 maßgebende Normen und Richtlinien
Grundlage der Bewertung sind folgende Normen und Richtlinien:
- [1] Flachdachrichtlinie (09-2001/09-2003)
- [2] DIN 18531-1 (11-2005) Dachabdichtungen – Begriffe, Anforderungen, Planungsgrundsätze
- [3] DIN 18531-3 (11-2005) Dachabdichtungen – Bemessung, Verarbeitung, Ausführung
2.2 begriffliche Definition des Bauteils „Dampfsperre“
Definition nach [1]
„Die Funktionsschicht Dampfsperre umfasst eine diffusionshemmende Schicht mit einem für die Funktion des Dachaufbaus ausreichenden Sperrwert.“
Definition nach [2]
„eine den Diffussionsvorgang im Dachaufbau einschränkende Schicht mit einer für die Funktion des Dachaufbaus ausreichenden wasserdampfdiffusionsäquivalenten Luftschichtdicke sd (siehe DIN 4108- 3)“
2.3 begriffliche Definition des Bauteils „Dachabdichtung“
Definition nach [1]
„Die Dachabdichtung ist ein flächiges Bauteil zum Schutz des Bauwerks gegen Niederschlagswasser. Sie besteht aus einer über die gesamte Dachfläche reichenden, wasserundurchlässigen Schicht. Zur Dachabdichtung gehören auch Anschlüsse, Durchdringungen und Fugenausbildungen. “
Definition nach [2]
„wasserundurchlässiges, flächiges Bauteil zum Schutz eines Bauwerkes gegen Niederschlagswasser (Die Dachabdichtung besteht aus einer über die gesamte Dachfläche reichenden wasserundurchlässigen Schicht, aus einer oder mehreren Lagen Dachbahnen. Zur Dachabdichtung gehören auch Anschlüsse, Abschlüsse und Bewegungsfugen. …)“
2.4 Darstellungen doppelstöckiger Einläufe gemäß Leitdetails Flachdachrichtlinie
Die Leitdetails zeigen unterschiedliche Ausführungsmöglichkeiten zum Anschluss der Dampfsperre an den Flansch des unteren Einlaufelements.
In Abb 10.4 befindet sich der Flansch unterhalb der Ebene der Dampfsperre. Der Wasserabfluss von der Dampfsperre in das untere Einlaufelement wird bei dieser Ausführung nicht gestört.
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In den Abb. 10.5 und B.17 befindet sich der Flansch in der Ebene der Dampfsperre. Die höher liegende Dichtmanschette der Dampfsperre behindert bei dieser Ausführung den ungestörten Wasserabfluss von der Dampfsperre in das untere Einlaufelement.
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3. Bewertung
Der GU schuldet unterhalb der Wärmedämmung eine Dampfsperre. Per Definition handelt es sich dabei nicht um eine Abdichtungsebene, sondern um eine Funktionsebene, welche im fertigen Zustand des Daches Kondensation innerhalb der Wärmedämmung verhindern soll.
Während der Bauzeit wird die Dampfsperre im Regelfall an die Entwässerung angeschlossen. Zweck dieser Maßnahme ist es, ein Hinterlaufen der Dampfsperre mit Wasser zu verhindern und das Bauwerk im Zwischenbauzustand provisorisch vor eindringender Feuchtigkeit zu schützen.
Diese Zusatzfunktion im nichtfertigen Zustand des Daches wird auch gewährleistet, wenn die Dichtflansche der unteren Entwässerungseinlaufelemente in der Ebene der Dampfsperre oder auch etwas höher liegen. Stauwasser um die Einläufe herum muss dabei in Kauf genommen werden, ebenso wie auch an anderen Stellen des Daches, bei denen es z.B. aufgrund fehlenden Gefälles (ein solches ist für die Dampfsperre nicht gefordert) oder aufgrund von Unebenheiten zu Pfützenbildung kommen kann. Dieses temporär auf der Dampfsperre stehende Wasser muss vor dem Einbau der Wärmedämmung ohnehin entfernt werden und ist damit für die Funktion des fertigen Daches nicht schädlich.
Aus diesen Gründen gibt es weder in der Flachdachrichtlinie noch in DIN 18531 eine Forderung dahingehend, dass Entwässerungseinläufe stauwasserfrei an die Dampfsperre anzuschließen sind. Entsprechende Forderungen gibt es ausschließlich für die Dachabdichtung.
Die Tatsache, dass eine Dampfsperre für das fertige Dach im Havariefall eine „Notabdichtung“ sein kann, ändert daran nichts. Für diese Aufgabe ist eine Dampfsperre planerisch nicht vorgesehen, weshalb sie auch in ihrer materialtechnischen Bemessung nicht als „dauerhaft wasserführende bzw. wasserdichte Ebene“ ausgelegt ist.
Grundsätzlich ist es technisch möglich, durch die Einbringung dickerer oder zusätzlicher Schichten die Funktion der Dampfsperre um diese Abdichtungsfunktion zu ergänzen. Dann würde es sich jedoch nicht mehr nur um eine Dampfsperre im Sinne ihrer Definition handeln, sondern um eine Abdichtung, welche auch die Funktion der Dampfsperre erfüllt. Bei dieser würde dann auch die Forderung zu erfüllen sein, dass Einläufe stauwasserfrei anzuschließen sind. Der, für eine solche „Abdichtung mit Dampfsperrenfunktion“ erforderliche, Mehraufwand wäre entsprechend zu vergüten.
4. Ergebnis
Der Sachverhalt, dass der Dichtflansch des unteren Einlaufelementes eines doppelstöckigen Entwässerungseinlaufes in oder etwas oberhalb der Ebene der Dampfsperre eingebaut ist, stellt keinen Mangel dar. Pfützenbildung auf einer Dampfsperre im Zwischenbauzustand stellt ebenfalls keinen Mangel dar.
H. Pfeifer, Dipl.-Wirtsch.-Ing. / Bau
SV für Schäden an Gebäuden / Bauphysik
© Henry Pfeifer