Die Untersuchung einer Flachdachabdichtung führt u.a. zu interessanten Feststellungen hinsichtlich der Wasseraufnahmefähigkeit von expandiertem Polystyrol.
1. Sachverhalt
Feuchtigkeitsschäden an der Decke einer Dachgeschosswohnung in einer Wohnanlage Baujahr 1995 sind im Jahr 2011 der Anlass zur Untersuchung des darüber befindlichen Flachdaches. Es soll geklärt werden, ob die Dachabdichtung Leckagen aufweist und in welchem Umfang ggf. eine Sanierung erforderlich ist.
2. Feststellungen
Das Dach ist als Warmdach mit folgendem Aufbau ausgeführt:
- massive Deckenkonstruktion aus Betonfertigteilen mit Aufbeton, ohne Gefälle
- Dampfsperre aus Bitumenschweißbahn
- Wärmedämmung d=12cm aus expandiertem Polystyrol PS20 WLG 040, mit zusätzlicher Gefälledämmung
- Dachabdichtung aus Bitumenschweißbahn, zweilagig, Oberlagsbahn besandet
- Kiesschüttung als schwerer Witterungs- und UV-Schutz
Zur Feststellung der Wasserverteilung im Dachaufbau werden auf einer Fläche von ca. 92 qm an insgesamt 114 Messpunkten HF-Index-Messungen durchgeführt. Die Messpunkte sind in einem gleichmäßigen Raster von jeweils 1 m x 1 m angelegt. Pro Messpunkt werden 6 Einzelmessungen durchgeführt, aus denen jeweils das arithmetische Mittel errechnet wird.
Die grafische Auswertung der Rastermessung führt zu folgendem Ergebnis:
Abb. 1: grafische Auswertung der HF-Rastermessung
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Interpretation:
- hellblaue oder weiße Flächen kennzeichnen Bereiche mit niedrigerem Feuchtigkeitsgehalt
- dunklere blaue Flächen kennzeichnen Bereiche mit höherem Feuchtigkeitsgehalt
- schwarze Elemente kennzeichnen Dachaufbauten (Schächte, Entlüftungen u.ä.)
- rote Punkte: Maximalmesswerte
- gelber Punkt: Minimalmesswer
Die grafische Auswertung der HF-Rastermessung zeigt großflächige Bereiche mit hohen Feuchtigkeitsgehalten unterhalb der Dachabdichtung. Diese Bereiche sind nicht in sich abgeschlossen, sondern zusammenhängend und reichen über die Grenzen des Messfeldes hinaus. Eine eindeutige Richtungstendenz zu einer bestimmten Stelle hin ist nicht vorhanden. Trockenere Flächen befinden sich lokal im Bereich der Dachränder (Attika), sowie in der unmittelbaren Umgebung von Dachaufbauten bzw. Schächten.
Im nächsten Schritt werden Sondierungsbohrungen im Bereich der Maximal- und Minimalmesswerte eingebracht. An den Stellen mit Maximalmesswerten (siehe Abb. 1, rote Punkte) wird im Dachaufbau stehendes Wasser vorgefunden. An der Stelle mit Minimalmesswert (siehe Abb. 1, gelber Punkt) befindet sich kein stehendes Wasser im Dachaufbau.
Abb. 2: aus dem Dachaufbau abgesaugtes Wasser
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Die zunächst beabsichtigte Lokalisierung von Wassereintrittsstellen im Bereich der Dachabdichtung anhand der HF-Rastermessung bleibt ergebnislos. Das Wasseraufkommen im Dachaufbau ist so hoch, dass keine Feststellung einer Richtungstendenz möglich ist. Es wird ein großflächiger, lokal zusammenhängender Wasserfilm festgestellt, mit einer Anstauhöhe von 2 bis 3 cm. Die Grenzen der nassen Flächen befinden sich außerhalb des untersuchten Messfeldes.
Inwiefern die Wärmedämmung durch die Wassereinwirkung geschädigt bzw. in ihrer Wirkung beeinträchtigt ist, wird durch die Untersuchung von Proben ermittelt. Entnommen werden drei Dämmplattenstücke mit einem Gesamtvolumen von 11,188 Litern und einem Gesamtgewicht von 1,515 kg.
Abb. 3: Probe A, zum Vergrößern bitte anklicken
Abb. 4: Probe B, zum Vergrößern bitte anklicken
Abb. 5: Probe C, zum Vergrößern bitte anklicken
Das Gewicht der entnommenen Dämmplattenstücke im trockenen Zustand ergibt sich durch Multiplikation des Gesamtvolumens mit der Rohdichte (Annahme Polystyrolpartikelschaum EPS: 20 kg/m3) und beträgt 0,224 kg. Das Gewicht des im Dämmstoff enthaltenen Wassers beträgt 1,515 kg – 0,224 kg = 1,291 kg. Ausgehend von einer Rohdichte des Wassers von 1,0 kg/Liter ist in den entnommenen Dämmplattenstücken demnach eine Wassermenge von 1,291 Litern enthalten. Dies entspricht einem Wassergehalt von 1,291 Litern / 11,188 Litern = 11,54 Vol%. Der Hauptteil des aufgenommenen Wassers befindet sich dabei in den unteren 2 bis 3 cm der Dämmplatten, korrespondierend mit der Anstauhöhe des Wassers im Dachaufbau. Der Wassergehalt eines normal trockenen Dämmstoffes aus EPS liegt zwischen 1,0 … 1,5 Vol%.
Abb. 6: bräunliche Verfärbung des im Wasser gelagerten Dämmstoffes
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3. Bewertungen
Die Untersuchung bestätigt, dass auch neuere Dämmstoffe aus Polystyrol EPS unter dauerhafter Wassereinwirkung ein Vielfaches ihres normalen Wassergehaltes aufnehmen können, im konkreten Fall etwa das Zehnfache. Mitunter behaupten ältere Publikationen das Gegenteil, und sie werden auch nach wie vor zur Argumentation eingesetzt.
Im Falle eines Wasserschadens wie im geschilderten Umfang ist sicher eine Komplettsanierung des Dachaufbaus zu überlegen. Die Wärmedämmwirkung eines Dämmstoffes nimmt mit zunehmendem Wassergehalt überproportional ab, was sich speziell bei alten Dächern mit geringen Dämmstoffdicken nachteilig auswirkt. Es ist andererseits jedoch auch möglich, eine stark durchfeuchtete Wärmedämmung zu retten. Dies hängt von von den Randbedingungen iim Einzelfall ab.
Durchfeuchtung, wie im Beispielfall dargestellt, ist im Übrigen nicht nur bei Dämmstoffen aus expandiertem Polystyrol (EPS) möglich, sondern auch bei Dämmstoffen aus extrudiertem Polystyrol (XPS). Letztere werden gern als „100% wasserdicht“ betrachtet, was sie jedoch nicht sind. Entsprechende Untersuchungen sind bereits bekannt, insbesondere im Bereich von Umkehrdach-Konstruktionen, bei denen sich die Wärmedämmung oberhalb der Abdichtung (im Nassbereich) befindet.
H. Pfeifer, Dipl.-Wirtsch.-Ing. / Bau
SV für Schäden an Gebäuden / Bauphysik
© Henry Pfeifer